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Warum heute noch Lehrer:in werden?
MOREFAMILY / Thema
Menerva Hammad ist Wienerin mit ägyptischen Wurzeln, Mittelschullehrerin, Autorin, Journalistin, Feministin, Unterstützerin von Plan International und Mama von zwei Töchtern. Sie erzählt von ihrem Alltag an der Schule, von Gesichtern, die auf Bildschirmen kleben, aber doch so viel zu sagen hätten, von Kindern und jungen Erwachsenen, die an ihre Träume glauben und so gar nicht „cringe“ sind …
Liebe Menerva, Lehrer:in zu sein, ist für viele nicht mehr der Traumberuf schlechthin. Warum hast du dich für diesen Weg entschieden und was motiviert dich, jeden Tag in die Schule zu gehen?
Menerva: Stimmt, wir haben aufgehört an die Menschheit, ihr Können und die Zukunft zu glauben. Innovation geschieht nur in der Technologie, aber zwischenmenschlich läuft da nix mehr. Warum heute noch Lehrer:in werden? Macht eigentlich keinen Sinn, oder? Schaut man um sich herum, kleben Gesichter auf Bildschirmen, man erlebt Respektlosigkeit, keine Anerkennung und schlechte Bezahlung unter schlechten Bedingungen. Warum ich das freiwillig und vor allem gerne mache? Für die kleine Menerva. Sie hätte sich mehr engagierte Lehrer:innen gewünscht, die diesen Job mit Liebe und Passion ausgeführt hätten, mit Leidenschaft und Motivation, mit offenen Armen und Ohren, mit Ideen außerhalb der Norm.
Wie kann man sich einen klassischen Unterrichtstag mit dir vorstellen?
Menerva: Sie reden mehr als ich. IMMER. Ich höre ihnen zu, weil sie so viel zu sagen haben, und dann schreiben wir es uns auf, damit wir diese besonderen Erinnerungen – die guten wie die weniger guten – nicht vergessen. Auch der Schmerz gehört verewigt, anerkannt, reflektiert. Ja, ich bin nicht vom Fach, nicht so, wie man es sich klassisch vorstellt, aber hoffentlich so, wie man es sich erträumt.
Was sind deine größten Herausforderungen in der Zusammenarbeit mit Jugendlichen?
Menerva: Mit ihnen arbeiten zu dürfen ist ein Segen – meistens. Zu realisieren, dass ich nicht alle retten kann, weil nicht alle gerettet werden möchten, ich sie nicht adoptieren darf, manche von ihnen zu spät kennenlerne – das ist die große Tragödie, die ich in diesem Job akzeptieren muss.
» Wenn ich sonst nichts im Leben schaffe, so habe ich das Leben vieler Kinder formen dürfen.«
… und dein schönstes Erlebnis als Lehrerin?
Menerva: Wenn sie zurückkommen, um sich zu bedanken. Sie gehen als Kinder ihre Wege nach der Mittelschule und kommen als junge Erwachsene zurück, um Danke zu sagen, und es berührt mich jedes Mal, weil es nicht selbstverständlich ist, dass man in seiner Freizeit alte Lehrer:innen besucht.
Die Briefe, die sie schreiben, die Dinge, die sie sich merken … neben meinen eigenen Kindern sind sie mein Vermächtnis. Wenn ich sonst nichts im Leben schaffe, so habe ich das Leben vieler Kinder formen dürfen, sie inspirieren und motivieren, an deren Träume und sich selbst zu glauben. Ich denke, dass es nichts Schöneres auf der Welt gibt.
Gibt es etwas, das du am Bildungssystem ändern würdest?
Menerva: Sehr viel. Es gehört viel mehr durchgemischt. Die Trennung der Kinder nach der Volksschule ist viel zu früh. Lehrkräfte müssen aktiv an Gesetzen mitbestimmen dürfen, damit Systeme geschaffen werden, die direkt an die Realität dieser Kinder gekoppelt sind und nicht komplett dran vorbei. Das Ziel soll eine echte Chance sein, nach einer Schulausbildung ihre sozioökonomische Realität bessern zu können. Was sonst ist das Ziel einer schulischen Ausbildung, wenn man sich weder intellektuell noch finanziell weiterentwickeln kann?
Was möchtest du Jugendlichen mit auf den Weg geben?
Menerva: Nichts an euch ist cringe, ihr seid voll auf die 1!








